Als Artisten im Zirkus Cabuwazi

(as-b) Statt uns im Deutschkurs mit Dativ, Akkusativ oder anderen Spitzfindigkeiten der deutschen Sprache herumzuschlagen, sind wir in dieser Woche im Zirkus Cabuwazi.

Hier sollen die Schüler im Laufe nur weniger Tage so viele artistische Tricks einüben, dass sie diese am Ende der Woche einem größeren Publikum vorstellen können - und zwar ohne dieses über die Maßen zu langweilen. Los geht es mit Aufwärmübungen und schweißtreibenden Gruppenspielen, vor denen sich natürlich einige Schüler zu drücken versuchen.

Da die Trainerinnen und Trainer im Umgang mit solchen Drückebergern allerdings versiert sind, hüpfen bald auch diese mehr oder weniger engagiert durch das Zelt. Als alle hinreichend aufgewärmt sind, geht es an die artistischen Geräte. Eine Gruppe soll am Trapez eine Nummer einstudieren, eine andere übt auf dem Trampolin, eine dritte soll das Laufen auf riesigen Kugeln lernen. Viele Schüler haben aufgrund des Krieges in ihrem Heimatland nie Sportunterricht gehabt. Selbst so etwas Banales wie ein Purzelbaum ist Neuland für sie und muss erlernt werden.

Um so erstaunlicher, dass bald alle Schüler die Übungen dank der Hartnäckigkeit der Trainer beherrschen und quietschend ihre Rollen durch die Luft drehen. Etwas schwieriger sind die Übungen am Trapez, das relativ hoch hängt und eine Menge Kraft und Gelenkigkeit voraussetzt. Auch ich versuche mich an der Schaukel, werde von zwei Trainerinnen wie ein Sandsack hinaufbugsiert, muss aber bald feststellen, dass unten vom Stuhl aus alles deutlich einfacher aussieht, und lass mich von Panik erfasst auf die Matte zurückfallen.

Weil ich kein Schüler bin, geht das bei den Trainern durch, die anderen aber werden nach solchen Fehlschlägen wieder an die Geräte zurückgeholt. Hinweise auf schwerwiegende Erkrankungen wie Muskelkater oder „Rücken“ zählen hier nicht. Und so neigt sich die Woche mit ebenso viel Blessuren wie Gelächter dem Ende und die Premiere steht ins Haus bzw. ins Zelt.

Am Freitag ist der Zirkus gut gefüllt, ein Kindergarten ist zu Besuch, daneben auch viele ältere Schüler, die mir etwas Sorge bereiten. Nicht allen traue ich zu, dass sie die Leistungen der Artisten zu würdigen wissen und habe Angst, dass sie diese mit irgendwelchen Sprüchen verunsichern könnten. Aber als die Scheinwerfer angehen und die ersten Schüler ihre Sprünge zwischen zwei Seilen vollführen, ist die Angst verflogen.

Während die Zuschauer klatschen und pfeifen, werden die Artisten immer selbstbewusster, balancieren über Kugeln, fliegen durch die Luft, werfen und schnappen Ringe, verbeugen sich und benehmen sich, als hätten sie nie etwas anderes als Zirkusluft geschnuppert. Niemand, am wenigsten wohl sie selbst, hätte geglaubt, dass sie in so kurzer Zeit so viel auf die Beine stellen würden.

Und so kommt es, wie es kommen muss: Als der Applaus verhallt und Frau Beridze und ich uns verlegen die letzten Tränen aus den Augenwinkeln wischen, sind unsere freudestrahlenden Schüler nicht mehr aus dem Zelt zu kriegen. Zum Glück aber haben sie die Möglichkeit, an zwei Tagen in der Woche wiederzukommen, um weiter an diesem tollen Projekt teilzunehmen.